„Die Bundesregierung schützt afghanische Straftäter und verrät afghanische Helfer. Aber zurücktreten will deswegen niemand.
In der Politik ist Timing fast alles, und wenn es missrät, zerreißt es den Vorhang: Am Mittwoch vorvergangener Woche beschloss die Bundesregierung, dass man bis auf Weiteres keine abgelehnten afghanischen Asylbewerber in ihre Heimat zurückschieben wolle, das sei für die Betroffenen zu gefährlich. Das schützt nun auch verurteilte Straftäter, mit denen die letzten deutschen Abschiebeflüge befüllt worden waren. Am Samstag und Sonntag darauf befand dieselbe Bundesregierung, dass es nunmehr an der Zeit sei, in größerem Stil afghanische Helfer (»Ortskräfte«) vor der Rache der Taliban zu retten. Allerdings befanden sich die Taliban da bereits in Kabul. Wer spät kommt, kann andere das Leben kosten. Daran ändern auch die Krokodilstränen von Außenminister Maas rein gar nichts mehr, der es jetzt eine »verdammte Pflicht«nennt, die Ortskräfte zu retten.Unter dem Strich bleibt: Für den Schutz afghanischer Straftäter ohne Asylanspruch in Deutschland hat diese Bundesregierung schneller und wirkungsvoller gehandelt als für den Schutz afghanischer Helfer, die etlichen deutschen Soldaten oder Entwicklungsmitarbeitern im Laufe der Jahre das Leben gerettet haben dürften. Oder, und ich räume ein, das ist sehr emotional: Ein Afghane, der in Deutschland einen »Ehrenmord« begangen hat, kann sich auf die Bundesregierung und deutsche Behörden verlassen. Ein Afghane, der in den letzten 20 Jahren ehrenhaft für unser Land eingestanden ist, kann es nicht. Der Vergleich mit dem »Ehrenmord« ist übrigens aktueller, als spontan empörte Menschenrechtsgruppen jetzt meinen werden: Die beiden Afghanen, die vor 14 Tagen wegen des Verdachts auf »Ehrenmord« unter ziemlich erdrückender Beweislast festgesetzt wurden, müssen bei gegenwärtigem Stand einiges fürchten, aber eines nicht – in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. Wobei zu fragen wäre: Was genau an politischer Verfolgung muss man in Taliban-Afghanistan eigentlich fürchten, wenn man seine Schwester aus Scharia-schwerem »Ehrgefühl« totschlägt? Die neuen Kabuler Machthaber jedenfalls möchten Ehebrecherinnen wieder steinigen und Frauen ganz allgemein wie Vieh behandeln. Könnte es also sein, dass der »Ehrenmörder« und der Durchschnitts-Taliban in Wahrheit ähnlich ticken – sodass der eine vom anderen nicht viel zu befürchten hätte, mithin in dessen Herrschaftsbereich überantwortet werden könnte?“
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